Display for Eternity
Als Kombination aller Farben galt Weiß lange Zeit als das ultimative Symbol für Neutralität: für die Mischung aller möglichen Informationen eines Spektrums, für
„Alles“ und damit gleichzeitig für „Nichts“ - für Abwesenheit ebenso wie für Unendlichkeit.
Gut 50 Jahre nachdem der White Cube seiner Dekonstruktion unterzogen wurde, ist die Kritik an ihm Teil des Lehrplans der meisten Kunststudien.
Und obwohl wir im akademischen Diskurs nicht mehr „Weiß“ sagen können, ohne an „Schwarz“, an Dekolonisation und White Supremacy zu denken, sind weiße Museumsräume immer noch state of the art.
Patrick Winkler beschäftigt sich mit den Eigenschaften von Raum unter Aspekten wie Öffentlichkeit, Privatheit oder Institutionalität.
Es geht um das kritische Offenlegen, das Bloßstellen von Machtstrukturen, aber trotzdem sind seine Arbeiten meist nicht explizit politisch.
Bei aller technischen Präzision und kühlen Ästhetik liegt uns ein sehr subjektiver Zugang vor, der aus der eigenen Erfahrung spricht.
Der aus der praktisch-handwerklichen Arbeit kommt und sich eher in subtile Abstufungen vertieft, als zu versuchen, mit den Machtgesten der verschiedenen, sich überlagernden unterdrückerischen Systeme zu konkurrieren.
Über mehrere Jahre hat Patrick Winkler die Wandfarben unterschiedlicher Kulturinstitutionen gesammelt:
hier vertreten sind die FOTOGALERIE WIEN, die Kunsthalle Wien, das mumok, die Secession sowie das Belvedere 21. Das Spektrum von Weißtönen wird aufgefächert und in mehreren medialen Aggregatzuständen re-präsentiert. Erstens als bildförmiger, rechteckiger „Ausschnitt“ – die subtile Abweichung im Weißton reicht aus, um die dünne Farbschicht wie einen (Fremd-)Körper erscheinen zu lassen.Zweitens wird das Weiß als Ware vorgeführt:
Farbkübel verweisen auf die verschiedenen Marken, auf die breite Produktpalette von weißer Dispersionsfarbe, je nach Prestige und Budget der Institution.
Sie tragen die Spuren der Arbeit, das Schmatzen der Malerrolle ist förmlich noch hörbar.
Drittens wird die Wandfarbe durch Reprofotografien mit fast obsessiver technischer Präzision einer Analyse unterzogen.
Ein besonderes Augenmerk liegt auf dem Übergang von architektonischen zu skulpturalen Qualitäten von Raum.
Anschaulich wird das in der Ausstellung anhand eines maßstabsgetreuen Nachbaus der Raumkante der FOTOGALERIE WIEN, die sich hier als installatives Element verselbstständigt hat. Die weißen Rollen, auf denen die Raumkante montiert ist, nehmen diesem Architekturelement, das sonst als so absolut und bedeutungsschwer empfunden wird, seine Stabilität, seine Endgültigkeit.
Und doch: während dem analytischen Blick auf die semantischen und historischen Implikationen des White Cube drängt sich ein sonderbares Gefühl auf.
Wer schon einmal mit der Malerrolle in der Hand in einem heruntergekommenen Offspace gestanden ist, weiß, wieviel Mühe wieviel (prekäre) Arbeit und wieviel weiße Farbe in solche Ausstellungswände fließt.
Für die Kulturarbeiter:innen unter uns sind ganz weltliche, nichtsdestotrotz starke Emotionen mit solchen Wänden verbunden.
Patrick Winklers Display ermöglicht uns einen anderen Blick auf diese scheinbar zeitlose Geste und der Moment, wo man sich der Fragilität der Dinge bewusst wird, wenn sie vielleicht kurz vor ihrem endgültigen Absterben und Verschwinden sind, bietet den Nährboden für eine Art Nostalgie.
Display for Eternity konfrontiert uns auch mit unseren Gefühlen gegenüber dem White Cube.
Indem der Ausstellungsraum gegen sich selbst gerichtet wird, gerät er vom Dispositiv zum Objekt und damit zum Opfer seiner eigenen Wirkungsweise.
Johan Nane Simonsen